Gesetze zur Gestaltung der visuellen Wahrnehmung

In diesem Artikel möchte ich auf die Gesetze zur Gestaltung der visuellen Wahrnehmung (Principles of Visual Perception) bei der Datenvisualisierung eingehen.

In der Datenvisualisierung ist es wichtig sie zu verstehen, denn sie helfen

  • die unwichtigen oder störenden Elemente in einer Grafik zu eliminieren
  • und Grafiken effektiver zu kommunizieren

Ursprung

Die “Principles of Visual Perception” sind ein Teil der Gestaltungspsychologie. Als Gestaltpsychologie wird eine Richtung innerhalb der Psychologie bezeichnet, die die menschliche Wahrnehmung als Fähigkeit beschreibt, Strukturen und Ordnungsprinzipien in Sinneseindrücken auszumachen. Die Gestaltungspsychologie ist vor allem wegen ihrer umfangreichen Experimentalforschung auf dem Gebiet der Wahrnehmung bekannt geworden. 

Zu Beginn des 20. Jahrhundert haben drei berliner Studenten der Gestaltpsychologie diese Gesetze entwickelt. Sie repräsentieren sechs wesentliche Faktoren für die Zusammenhangbildung in der Wahrnehmung. Sie wurden zuerst im deutschen Raum, dann aber auch im internationalen Raum bekannt. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gestaltpsychologie#Berliner_Schule_der_Gestaltpsychologie_(Gestalttheorie)

Ich werde alle sechs Gestaltgesetze anhand der folgenden Grafik beschreiben.

Gesetz der Nähe

Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen. 

Schauen wir uns das Bild unten an. Zu erkennen sind drei Reihen an Punkten. Obwohl diese Punkte keineswegs miteinander verbunden sind, nehmen wir dies so wahr.

Diese visuelle Wahrnehmung entsteht dadurch, dass wir mit den Abständen zwischen den Punkten variiert haben. Die Punkte mit den geringeren Abstände werden somit als eine Gruppe wahrgenommen.

Betrachtet wir unser Liniendiagramm. So ist zu erkennen, dass dieses Gesetz auf unterschiedliche Weise auf dem Chart angewendet wurde. Beispielsweise:

  • Die Beschriftung ist über die blauen Punkte und über die Ziellinie direkt platziert und somit kann man verstehen, dass diese Beschriftungen sich auf die Punkte und auf die Ziellinie beziehen
  • Beschriftung der X und Y Achse: Die Beschriftungen sind keineswegs miteinander verbunden. Trotzdem auf Grund der Nähe verstehen wir zu welche Achse sie gehören und welchen Punkt sie auszeichnen. 

Gesetz der Ähnlichkeit

Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig erlebt als einander unähnliche.

Wie würdet ihr das Bild unten beschreiben?

Wir können zwei Gruppen erkennen: eine Gruppe mit schwarzen und die andere Gruppe mit grauen Punkten. Also, es besteht eine visuelle Ähnlichkeit durch die Farben. Das Bild besteht somit aus Reihen von schwarzen und grauen Punkten, die aufeinander folgen.

Auf unserem obigen Beispiel sehen wir eine  türkise Farbe sowohl bei den Punkten, als auch im Text. Es besteht eine Ähnlichkeit zwischen beiden Elementen. Die Worte in Türkis beschreiben die türkisen Punkte. Alle Elemente haben die gleiche Bedeutung: Quartal 3 in drei Jahren in Folge verweist die höchste Menge an verkauften Getränken. 

Gesetz der guten Gestalt

Es werden bevorzugt Gestalten wahrgenommen, die in einer einprägsamen und einfachen Struktur (= „Gute Gestalt“) resultieren.

Wenn Objekte physikalisch eingeschlossen sind, dann nehmen wir die Punkte als eine Gruppe automatisch wahr. (Wie auf dem Beispiel oben: die letzte drei Reihen sind rot eingerahmt (= „Gute Gestalt“))

Genauso wie auf unserem ersten Beispiel habe ich die Zeit der Pandemie eingerahmt und beschriftet. Mit dem roten Rahmen wird die Zeit der Pandemie visuell hervorgehoben. Der Betrachter erkennt demnach schnell und unmissverständlich die zeitlichen Grenzen der Pandemie.

Gesetz der Geschlossenheit

Es werden bevorzugt Strukturen wahrgenommen, die eher geschlossen als offen wirken.

Menschen neigen dazu Formen leichter zu erkennen, die bereits bekannt sind. Es lassen sich so bekannten Elemente erkennen, obwohl einige Elemente fehlen. Unsere Augen sind imstande die fehlende Elemente zu ergänzen.

Auf dem Beispiel oben habt ihr bestimmt zuerst ein Rechteck erkannt. Erst auf den zweiten Blick erkennt ihr auch eine Reihe an horizontalen und vertikalen Linien, die nicht miteinander verbunden sind.

Unsere gesamte Grafik basiert sich auf diesem Gesetz. Wenn mehrere Elemente physikalisch nah zueinander positioniert sind, dann nehmen wir es als eine Ganze wahr.

Dieses Beispiel zeigt die Achsen und Liniendiagramm und wir nehmen es als ein Element = Grafik wahr.

Übrigens, wenn man dieses Gesetz in der Betrachtung zieht, dann ist es absolut unnötig die Hintergrundfarbe oder einen zusätzlichen Rahmen zu unserer Grafik hinzuzufügen. Meistens gehören diese Elemente zu den Standardeinstellungen einigen Softwarelösungen (s. Bild unten).  Es ist absolut unnötig, wenn die Grafik sowieso als ein Element zu verstehen ist. Wenn wir diese Rahmen oder Hintergrundfarben nicht verwenden, dann stehen unsere Daten mehr im Vordergrund und werden vom Betrachter schneller erfasst. (Vergleich das Bild oben und unten).

Gesetz der Fortsetzung

Dieses Gesetz besagt, dass wir Elemente auf einer durchgehenden Linie oder Kurve als zusammengehörig wahrnehmen. Denn: Unser Gehirn neigt dazu, einen Richtungsimpuls fortzusetzen.

Auf unserem ersten Beispiel wurde dieses Gesetz auf die Ziellinie angewendet. Es handelt sich um eine Reihe von kurzen Strichen. Genau genommen könnten wir jetzt auch nur die kurzen Striche sehen. Tun wir aber nicht: Denn nach dem Gesetz der Fortsetzung ist es viel einfacher, eine Linie zu sehen, die sich an mehreren Punkten schneidet.

Ich sehe persönlich hier die Ähnlichkeiten zum Gesetz der Geschlossenheit. Genau wie bei dem Gesetz der Geschlossenheit, neigen wir dazu, die Elemente mit fehlenden Teilen visuell für uns zu ergänzen.

Gesetz des gemeinsamen Schicksals

Das Gesetz des „gemeinsamen Schicksals“ beschreibt die menschliche Auffassung dafür, dass wir Elemente die sich mit ähnlicher Geschwindigkeit in eine ähnliche Richtung bewegen, als zusammengehörend wahrnehmen.

Die Autorin Cole Nussbaumer Knaflic schreibt in ihrem Buch “Storytelling with Data”: Wir neigen dazu zu denken, dass Elemente, die miteinander physikalisch verbunden sind, zu einer Gruppe gehören. Die Verbindungseigenschaft, z.B. eine Linie, wird viel mehr als eine Verbindung zwischen den Elementen wahrgenommen, als Farbe, Rahmen, Größe etc.

Schauen wir uns das folgende Bild an: Unsere Augen nehmen eher die Verbindung zwischen den Elementen durch eine Linie, die diese Elemente verbindet, wahr. Erst im zweiten Schritt beschäftigen wir uns mit der Größe, Farbe und Form der Elemente. Und das ist das Prinzip der Verbindung.

Auf unsere ersten Grafik wurde dieses Prinzip direkt bei dem Liniendiagramm angewendet. Wenn man das Liniendiagramm betrachtet, dann sieht man, dass es aus Kreisen besteht, die mit einer Linie miteinander verbunden sind. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es sich um eine durchgezogene Linie handelt.

Fazit: Gestaltgesetze der visuellen Wahrnehmung helfen uns zu verstehen, wie die Menschen die Informationen visuell wahrnehmen. Das können wir nutzen, um unnötige Elemente auf unseren Grafiken zu eliminieren und somit effektiver zu kommunizieren.

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